Archive: Dezember 2022

9. Dezember 2022

Rede des Fraktionsvorsitzenden Rainer Gessler zum Kreishaushalt 2023

Herr Landrat, meine Damen und Herren,

nach der Pandemie, der Krieg verbunden mit einer Energiekrise und Inflation. Wir leben aktuell in sehr unruhigen Zeiten. Auch bei den Landkreisthemen haben und hatten wir ein unruhiges Jahr 2022. Stichworte: Klage der Gebühreninitiative, Umstellung des Einsammelsystems und neuer Vertragspartner für die Bio- und Restmülleinsammlung, Deponiestandortsuche. Manches hat sich geklärt und beruhigt, anderes steht uns noch bevor, oder wir stehen gerade mitten drin.

 

Zum Haushalt allgemein:

Überraschend und sehr ärgerlich für uns ist, dass sich Ende November ein zusätzlicher Fehlbetrag im Ergebnishaushaltes von ca. 12 Mio. Euro ergeben hat, weil die Verwaltung nach der Einbringung und zwischen der 1. und 2. Lesung im Verwaltungsausschuss weitere Kosten für die Kliniken in Höhe von fast 15 Mio. Euro „nachgeschoben“ hat. Ungewöhnlich, mehr als ungewöhnlich!

Trotzdem ist die finanzielle Lage des Landkreises in Ordnung. Die Rücklage aus Überschüssen des ordentlichen Ergebnisses beträgt zum 31.12.2022 voraussichtlich rund 240 Mio. Euro.

Was heißt das?

Die Kreisumlage war in den vergangenen Jahren, wie von uns immer so beurteilt, höher als erforderlich.

Deshalb: wenn wir in der Vergangenheit schon die Kreisumlage nicht gesenkt haben, dann ist eine Erhöhung derzeit völlig indiskutabel. Die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts ist nicht gefährdet, genau deshalb gibt es ja diese Ergebnisrücklage. 240 Mio.!!

 

Wenn wir sie jetzt nicht einsetzen, wann dann?

Dann hätte man das Geld bei den Kommunen lassen können, nein müssen!

Der Landkreis ist ein guter Arbeitgeber, Beispiele: mobiles Arbeiten, ÖPNV Zuschuss und Fahrrad Kilometer-Geld. Aber die Personalkosten mit rund 130 Mio. Euro sind natürlich ein sehr großer Kostenfaktor, hier gilt es die notwendigen Stellen zusätzlich bereitzustellen, aber auch immer zu prüfen, wo ist weniger Personal möglich.

Wir stellen z.B. weitere Stellen im Bereich Wohngeld zur Verfügung, die gesetzlichen Änderungen erfordern dies. Aber das neue Recht wurde erst Ende November verabschiedet, tritt im Januar in Kraft, viele Voraussetzungen zur Umsetzung sind noch nicht geschaffen.

Traurig, aber wahr, so erfolgt Gesetzgebung bei unserer Bundesregierung!

Sozialetat

Bei den Sozialausgaben sehen wir wieder vermehrt ansteigende Aufwendungen durch Leistungsverbesserungen und Leistungsausweitungen der Sozialpolitik. Insbesondere bei der Eingliederungshilfe und infolge des Bundesteilhabegesetzes.

Im Bereich „Asyl“ sehen wir steigende Zahlen und durch die kriegsbedingten Fluchtströme aus der Ukraine neue und steigende Herausforderungen, die die Fluchtbewegungen 2015/2016 übertreffen. Es fehlt an Unterkünften und vermehrt an Personal auf allen Ebenen.

Die Einführung eines Bürgergeldes in 2023 steht auch noch bevor.

Für all diese neuen und ausgeweiteten Aufgaben brauchen wir gutes Personal – keine einfache Aufgabe.

Allen in diesem Bereich Tätigen beim Landkreis und bei den kirchlichen und freien Trägern danken wir für ihren großen Einsatz in allen sozialen Bereichen und ich kann versichern, dass wir sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben nicht alleine lassen.

Zum ÖPNV:

Die konstruktive Entwicklung bei der Stadtbahn freut uns und wir ermutigen alle Beteiligten diesen Weg, wie eingeschlagen so weiterzugehen.

Die Kostenentwicklung im ÖPNV macht uns dagegen große Sorgen.

Die Fakten: Beim Kreis verbleiben 2023 Kosten für den ÖPNV in Höhe von 55 Mio. Euro, 2021 waren es noch 35 Mio. Euro. Eine Steigerung von 57 %  in 2 Jahren!

Für Straßen wendet der Kreis bspw. 5 Mio. € auf, gerade mal 1/10!

Die Sorgen gelten sowohl für die Existenz unserer Verkehrsunternehmen als auch für die Finanzierung der Verkehrsleistungen.

Wir sind mit der Verwaltung einig.

Es gilt, möglichst viele Busunternehmen in der Region zu retten und vor allem dafür zu sorgen, das Angebot für die Fahrgäste aufrecht zu erhalten.

Wir haben daher ja gesagt zu dem Finanzkonzept, ausgearbeitet von den Verbundlandkreisen und dem VVS.

Wir Freien Wähler stehen zum ÖPNV und tragen diese Verantwortung mit!

Wir geben viel kommunales Geld, aber Bund und Land müssen sich noch mehr engagieren.

Selbstverständlich gehören zu einem attraktiven ÖPNV auch passende Tarife.

Die Entscheidung für das landesweite Jugendticket haben wir mit Überzeugung mitgetragen.

Viele jubeln über das bundesweite 49-Euro-Ticket.

Auch wir begrüßen dieses neue und sehr attraktive Angebot.

Seit gestern gibt es nun eine Einigung zwischen Bund und Ländern über die Finanzierung. Allerdings sind wir diesbezüglich noch etwas skeptisch, denn die Auswirkungen auf das Tarifgefüge innerhalb der Verbünde sind gewaltig.

Wir hoffen sehr, dass am Ende nicht doch wieder die Kreise und Kommunen zum Zahlmeister werden. Dies darf nicht so kommen! Das 49 € Ticket ist eine Erfindung des Bundes, dann muss er auch die Finanzverantwortung dafür tragen!

Kliniken

Kliniken im ständigen Krisenmodus: stark gestiegene Energiepreise, hohe Inflation, langwierige Pflegebudgetverhandlungen, keine ausreichende Finanzierung. Durch diese Krisen entstehen bei unseren Kliniken in 2023 große Liquiditätsprobleme.

Es stehen Millioneninvestitionen im dreistelligen Bereich bei den Kliniken an allen Standorten an.

Bei der Weiterentwicklung des Gesundheitscampus Marbach ist vor allem der Bau einer modernen Pflegeschule wichtig.

Diese Investitionen sorgen dafür, dass die Verschuldung der Kliniken deutlich ansteigen wird, von 128 Mio. Euro im Jahr 2023 auf 177 Mio. Euro dann in 2026.

Trotzdem stehen die Freien Wähler weiterhin fest zu einer Trägerschaft der Kliniken in der Hand des Kreises.

Unser Appell geht an den Bund, den Bundesgesundheitsminister. Nicht nur in Talkshows Versprechungen machen, sondern diese auch einzulösen, ich bin gespannt, ob die angekündigte Finanzierungsreform für die Krankenhäuser schnell kommt und für die Träger eine Entlastung bringen wird. Notwendig ist es!

Klimaschutz

Es ist mittlerweile hinlänglich bekannt, dass das 1,5 Grad-Ziel kaum mehr zu erreichen ist und dass die Weltgemeinschaft vor enorm großen Herausforderungen steht

Der Klimawandel kann nicht in Abrede gestellt werden. Wir müssen unseren Anteil als Landkreis beitragen. Auf lokaler Ebene unsere Möglichkeiten auszuschöpfen, um der Klimaneutralität schrittweise näher zu kommen.

Die Freien Wähler stehen hinter dem Klimaschutzkonzept des Landkreises, das auch eine konkrete Beschreibung für die anstehenden Projekte darstellt.

Im Mai 2021 wurde den Kreistagsmitgliedern berichtet, dass sich ca. die Hälfte der Maßnahmen des Konzeptes in Umsetzung befindet, und es ist gut, wenn es hier mit voller Kraft weitergeht.

Und das in allen Bereichen, sei es bei der Erzeugung umweltfreundlicher Energien wie Windkraft oder Solarenergie, sei es im Bereich der Mobilität, der Bildung und Schulung oder auch bei baulichen Maßnahmen wie der energetischen Sanierung von Gebäuden.

Wir Freien Wähler werden die klimarelevanten Projekte auch in Zukunft unterstützen, so wie wir dies in der Vergangenheit bereits getan haben.

Insgesamt haben wir es mit verschiedenen Unbekannten zu tun: Energiekrise, Inflation, Ukrainekrieg, Flüchtlingssituation, notwendige Investitionen in Klimaschutz und ÖPNV, in die Kliniken, Fachkräftemangel!

Deshalb müssen langfristig wirkende Investitionsentscheidungen mit hoher Finanzbelastung wohl abgewogen werden.

Denn auch die Finanzsituation unserer Städte und Gemeinden ist schwierig, schwieriger als die des Kreises. Und es gibt für uns keinen Vorrang für den Kreis!

Kreis und Kommunen sitzen im gleichen Boot, deshalb ist jeder Euro, den wir bei den Kommunen nicht holen müssen, ein guter Euro.

Zum Schluss: Vielen Dank an Frau Beck und Ihr Team und allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für den engagierten Einsatz im vergangenen Jahr.

Der Wunsch auf Beendigung des Krieges in der Ukraine und an anderen Orten dieser Erde steht an erster Stelle.

Frohe Weihnachten, und ein gutes, vor allem gesundes neues Jahr 2023!

Wir stimmen dem Haushalt zu.

 


9. Dezember 2022

Kreisrat Jan Trost zum Jahresergebnis 2021 und zur allgemeinen Situation in den Kliniken

Sehr geehrter Herr Professor Martin,
sehr geehrter Herr Landrat Allgaier,
meine sehr geehrte Damen und Herrn,

neben dem Kreishaushalt stehen auch unsere Kliniken vor großen Herausforderungen. Die finanzielle Situation in unseren Kliniken stellt sich dank coronabedingter Sondereffekte im Jahr 2021 noch positiv dar. Das Jahresergebnis 2021 kann mit einem moderaten Überschuss abschließen, dies war jedoch auch nur möglich durch die Landeshilfen für Mehraufwendungen in der Coronapandemie, die im Mai 2022 rückwirkend an die Kliniken flossen. Gegenläufig ist jedoch die Lage bei unserem Klinikpersonal, diese hat sich im vergangenen Jahr weiter deutlich zugespitzt. Diese Entwicklung bereitet uns Freien Wählern sehr große Sorgen.

Denn von dem Mangel an Pflegekräften können wir alle betroffen sein, denn jeden von uns, die wir hier sitzen, kann ein Krankenhausaufenthalt aus den unterschiedlichsten Gründen treffen.

Die Zukunftsaussichten unserer Kliniken sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Niemand kann vorhersagen, wie es mit Corona weitergeht. Auch die weiteren Krisen belasten unsere Kliniken beispielsweise durch die stark gestiegenen Energiepreise oder die hohe Inflation. Deshalb werden sich die Wolken am Finanzhimmel in diesem Wirtschaftsjahr stark verdunkeln. Laut Professor Martin drohen jährliche Verluste im zweistelligen Millionenbereich. Und das bei unseren Kliniken, die vor allem mit dem Krankenhaus in Ludwigsburg zu den größten Playern in Baden-Württemberg gehören. Außerdem stehen weitere Pflegebudgetverhandlungen an. Die finanzielle Lage der gesetzlichen Krankenkassen ist ebenfalls schlecht, so dass mit harten und langwierigen Verhandlungen zu rechnen ist. Dadurch entstehen bei unseren Kliniken 2023 Liquiditätsprobleme und die Budgetplanung ist erschwert.Aus finanzieller Sicht müssen Bund und Land endlich handeln statt weiter zu diskutieren und die strukturelle Unterfinanzierung der Kliniken in Deutschland beseitigen. Dies kann beispielsweise durch eine weitere Konzentrierung der Krankenhauslandschaft erfolgen, auch wenn dies für ländliche Bereiche schmerzhaft sein wird. Aber anders wird die Hochleistungsmedizin in unserem Land nicht mehr finanzierbar sein und der Fachkräftemangel gedämpft werden können.

Besonders der Fachkräftemangel bedroht in unserem Landkreis die medizinische Versorgung, sei es in den Kliniken, aber auch in den Arztpraxen oder den Pflegediensten. Und wenn ich in der Kreistagsvorlage lese, dass im letzten Jahr 52 Vollzeitstellen im Pflegedienst nicht besetzt werden konnten, verbunden mit einem Anstieg der Resturlaubstage von insgesamt 1.900 Tagen wird mir Angst und Bange, wie die medizinische Versorgung in Zukunft aussehen wird. Deshalb müssen alle Anstrengungen unternommen werden, junge Menschen wieder für diesen Beruf zu begeistern. Dazu gehören moderne Arbeitsbedingungen und Arbeitsplätze. Daher unterstützen die Freien Wähler weiterhin die geplanten Investitionen in die Standorte Ludwigsburg und Bietigheim-Bissingen. Vor allem die Verbesserung der Bedingungen für Patienten und das Personal im in die Jahre gekommenen Klinikum Ludwigsburg sind dringend erforderlich.

Aber auch eine moderne Ausbildungsstätte mit Wohngelegenheiten sind für die Nachwuchsgewinnung von großer Bedeutung. Daher bedarf es sowohl im Aufsichtsrat als auch im Kreistag im Jahr 2023 wegweisender Beschlüsse, um eine moderne und zeitgemäße Pflegeschule mit Wohnheim am Standort Marbach umzusetzen. Durch den städtebaulichen Wettbewerb wurde die Basis im Herbst dieses Jahres dafür geschaffen.

Alles in Allem sorgen diese Investitionen dafür, dass die Verschuldung der Kliniken deutlich ansteigen wird, von 128 Mio. im Jahr 2023 auf 177 Mio. im Jahr 2026. Trotzdem stehen die Freien Wähler weiterhin fest zu einer Trägerschaft der Kliniken in der Hand des Kreises.

Abschließend gilt der herzliche Dank der Freien Wählern Ihnen, Herr Professor Martin und Ihrem Führungsteam für die geleistete Arbeit im vergangenen Jahr. Unser großer Dank gilt auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Kliniken. Durch den Personalmangel steigt ihre Belastung von Jahr zu Jahr. Nur Dank Ihres großartigen Einsatzes ist es gelungen, dass auch weiterhin vielen kranken Menschen in unserem Landkreis geholfen werden konnte. Angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre fällt es allerdings schwer, für Sie positiv in die Zukunft zu schauen, die harte Realität wird uns zeigen, dass wir uns im medizinischen Bereich aus personellen und finanziellen Gründen von gewohnten Standards verabschieden müssen.

Die Freien Wähler werden abschließend den Jahresabschlüssen 2021 zustimmen, ebenso der Entlastung des Aufsichtsrats.

Vielen Dank