Rede des Fraktionsvorsitzenden Rainer Gessler zum Kreishaushalt 2023

Herr Landrat, meine Damen und Herren,

nach der Pandemie, der Krieg verbunden mit einer Energiekrise und Inflation. Wir leben aktuell in sehr unruhigen Zeiten. Auch bei den Landkreisthemen haben und hatten wir ein unruhiges Jahr 2022. Stichworte: Klage der Gebühreninitiative, Umstellung des Einsammelsystems und neuer Vertragspartner für die Bio- und Restmülleinsammlung, Deponiestandortsuche. Manches hat sich geklärt und beruhigt, anderes steht uns noch bevor, oder wir stehen gerade mitten drin.

 

Zum Haushalt allgemein:

Überraschend und sehr ärgerlich für uns ist, dass sich Ende November ein zusätzlicher Fehlbetrag im Ergebnishaushaltes von ca. 12 Mio. Euro ergeben hat, weil die Verwaltung nach der Einbringung und zwischen der 1. und 2. Lesung im Verwaltungsausschuss weitere Kosten für die Kliniken in Höhe von fast 15 Mio. Euro „nachgeschoben“ hat. Ungewöhnlich, mehr als ungewöhnlich!

Trotzdem ist die finanzielle Lage des Landkreises in Ordnung. Die Rücklage aus Überschüssen des ordentlichen Ergebnisses beträgt zum 31.12.2022 voraussichtlich rund 240 Mio. Euro.

Was heißt das?

Die Kreisumlage war in den vergangenen Jahren, wie von uns immer so beurteilt, höher als erforderlich.

Deshalb: wenn wir in der Vergangenheit schon die Kreisumlage nicht gesenkt haben, dann ist eine Erhöhung derzeit völlig indiskutabel. Die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts ist nicht gefährdet, genau deshalb gibt es ja diese Ergebnisrücklage. 240 Mio.!!

 

Wenn wir sie jetzt nicht einsetzen, wann dann?

Dann hätte man das Geld bei den Kommunen lassen können, nein müssen!

Der Landkreis ist ein guter Arbeitgeber, Beispiele: mobiles Arbeiten, ÖPNV Zuschuss und Fahrrad Kilometer-Geld. Aber die Personalkosten mit rund 130 Mio. Euro sind natürlich ein sehr großer Kostenfaktor, hier gilt es die notwendigen Stellen zusätzlich bereitzustellen, aber auch immer zu prüfen, wo ist weniger Personal möglich.

Wir stellen z.B. weitere Stellen im Bereich Wohngeld zur Verfügung, die gesetzlichen Änderungen erfordern dies. Aber das neue Recht wurde erst Ende November verabschiedet, tritt im Januar in Kraft, viele Voraussetzungen zur Umsetzung sind noch nicht geschaffen.

Traurig, aber wahr, so erfolgt Gesetzgebung bei unserer Bundesregierung!

Sozialetat

Bei den Sozialausgaben sehen wir wieder vermehrt ansteigende Aufwendungen durch Leistungsverbesserungen und Leistungsausweitungen der Sozialpolitik. Insbesondere bei der Eingliederungshilfe und infolge des Bundesteilhabegesetzes.

Im Bereich „Asyl“ sehen wir steigende Zahlen und durch die kriegsbedingten Fluchtströme aus der Ukraine neue und steigende Herausforderungen, die die Fluchtbewegungen 2015/2016 übertreffen. Es fehlt an Unterkünften und vermehrt an Personal auf allen Ebenen.

Die Einführung eines Bürgergeldes in 2023 steht auch noch bevor.

Für all diese neuen und ausgeweiteten Aufgaben brauchen wir gutes Personal – keine einfache Aufgabe.

Allen in diesem Bereich Tätigen beim Landkreis und bei den kirchlichen und freien Trägern danken wir für ihren großen Einsatz in allen sozialen Bereichen und ich kann versichern, dass wir sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben nicht alleine lassen.

Zum ÖPNV:

Die konstruktive Entwicklung bei der Stadtbahn freut uns und wir ermutigen alle Beteiligten diesen Weg, wie eingeschlagen so weiterzugehen.

Die Kostenentwicklung im ÖPNV macht uns dagegen große Sorgen.

Die Fakten: Beim Kreis verbleiben 2023 Kosten für den ÖPNV in Höhe von 55 Mio. Euro, 2021 waren es noch 35 Mio. Euro. Eine Steigerung von 57 %  in 2 Jahren!

Für Straßen wendet der Kreis bspw. 5 Mio. € auf, gerade mal 1/10!

Die Sorgen gelten sowohl für die Existenz unserer Verkehrsunternehmen als auch für die Finanzierung der Verkehrsleistungen.

Wir sind mit der Verwaltung einig.

Es gilt, möglichst viele Busunternehmen in der Region zu retten und vor allem dafür zu sorgen, das Angebot für die Fahrgäste aufrecht zu erhalten.

Wir haben daher ja gesagt zu dem Finanzkonzept, ausgearbeitet von den Verbundlandkreisen und dem VVS.

Wir Freien Wähler stehen zum ÖPNV und tragen diese Verantwortung mit!

Wir geben viel kommunales Geld, aber Bund und Land müssen sich noch mehr engagieren.

Selbstverständlich gehören zu einem attraktiven ÖPNV auch passende Tarife.

Die Entscheidung für das landesweite Jugendticket haben wir mit Überzeugung mitgetragen.

Viele jubeln über das bundesweite 49-Euro-Ticket.

Auch wir begrüßen dieses neue und sehr attraktive Angebot.

Seit gestern gibt es nun eine Einigung zwischen Bund und Ländern über die Finanzierung. Allerdings sind wir diesbezüglich noch etwas skeptisch, denn die Auswirkungen auf das Tarifgefüge innerhalb der Verbünde sind gewaltig.

Wir hoffen sehr, dass am Ende nicht doch wieder die Kreise und Kommunen zum Zahlmeister werden. Dies darf nicht so kommen! Das 49 € Ticket ist eine Erfindung des Bundes, dann muss er auch die Finanzverantwortung dafür tragen!

Kliniken

Kliniken im ständigen Krisenmodus: stark gestiegene Energiepreise, hohe Inflation, langwierige Pflegebudgetverhandlungen, keine ausreichende Finanzierung. Durch diese Krisen entstehen bei unseren Kliniken in 2023 große Liquiditätsprobleme.

Es stehen Millioneninvestitionen im dreistelligen Bereich bei den Kliniken an allen Standorten an.

Bei der Weiterentwicklung des Gesundheitscampus Marbach ist vor allem der Bau einer modernen Pflegeschule wichtig.

Diese Investitionen sorgen dafür, dass die Verschuldung der Kliniken deutlich ansteigen wird, von 128 Mio. Euro im Jahr 2023 auf 177 Mio. Euro dann in 2026.

Trotzdem stehen die Freien Wähler weiterhin fest zu einer Trägerschaft der Kliniken in der Hand des Kreises.

Unser Appell geht an den Bund, den Bundesgesundheitsminister. Nicht nur in Talkshows Versprechungen machen, sondern diese auch einzulösen, ich bin gespannt, ob die angekündigte Finanzierungsreform für die Krankenhäuser schnell kommt und für die Träger eine Entlastung bringen wird. Notwendig ist es!

Klimaschutz

Es ist mittlerweile hinlänglich bekannt, dass das 1,5 Grad-Ziel kaum mehr zu erreichen ist und dass die Weltgemeinschaft vor enorm großen Herausforderungen steht

Der Klimawandel kann nicht in Abrede gestellt werden. Wir müssen unseren Anteil als Landkreis beitragen. Auf lokaler Ebene unsere Möglichkeiten auszuschöpfen, um der Klimaneutralität schrittweise näher zu kommen.

Die Freien Wähler stehen hinter dem Klimaschutzkonzept des Landkreises, das auch eine konkrete Beschreibung für die anstehenden Projekte darstellt.

Im Mai 2021 wurde den Kreistagsmitgliedern berichtet, dass sich ca. die Hälfte der Maßnahmen des Konzeptes in Umsetzung befindet, und es ist gut, wenn es hier mit voller Kraft weitergeht.

Und das in allen Bereichen, sei es bei der Erzeugung umweltfreundlicher Energien wie Windkraft oder Solarenergie, sei es im Bereich der Mobilität, der Bildung und Schulung oder auch bei baulichen Maßnahmen wie der energetischen Sanierung von Gebäuden.

Wir Freien Wähler werden die klimarelevanten Projekte auch in Zukunft unterstützen, so wie wir dies in der Vergangenheit bereits getan haben.

Insgesamt haben wir es mit verschiedenen Unbekannten zu tun: Energiekrise, Inflation, Ukrainekrieg, Flüchtlingssituation, notwendige Investitionen in Klimaschutz und ÖPNV, in die Kliniken, Fachkräftemangel!

Deshalb müssen langfristig wirkende Investitionsentscheidungen mit hoher Finanzbelastung wohl abgewogen werden.

Denn auch die Finanzsituation unserer Städte und Gemeinden ist schwierig, schwieriger als die des Kreises. Und es gibt für uns keinen Vorrang für den Kreis!

Kreis und Kommunen sitzen im gleichen Boot, deshalb ist jeder Euro, den wir bei den Kommunen nicht holen müssen, ein guter Euro.

Zum Schluss: Vielen Dank an Frau Beck und Ihr Team und allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für den engagierten Einsatz im vergangenen Jahr.

Der Wunsch auf Beendigung des Krieges in der Ukraine und an anderen Orten dieser Erde steht an erster Stelle.

Frohe Weihnachten, und ein gutes, vor allem gesundes neues Jahr 2023!

Wir stimmen dem Haushalt zu.