Rede zum Haushalt 2021 des Landkreises Ludwigsburg Fraktionsvorsitzender Rainer Gessler

Herr Landrat, meine Damen und Herren,

wenn ich S-Bahn oder Bus fahre und alle MitfahrerInnen mit Maske sehe, denke ich immer wieder, das ist wie in einem Katastrophenfilm aus Hollywood.

Man konnte sich die aktuelle Situation vor einem Jahr nicht vorstellen, dass alle Menschen mit Maske sich in weiten Teilen des öffentlichen Lebens bewegen müssen. Wir Alle, die Regierung, die Virologen sind mit einer bisher völlig unbekannten Situation konfrontiert. Man hatte sie zwar mal geübt und ein dickes Handbuch verfasst, aber mit dieser Realität hatte glaube ich keiner gerechnet.

Wichtig aus unserer Sicht ist, Politik, Virologen, Verwaltungen ergreifen Maßnahmen, erlassen Vorgaben zu unserem Gesundheitsschutz und dem unserer Nächsten. Es macht sicher keine Freude, Einschränkungen bis hin zum erneuten totalen Lockdown zu erlassen.

Die Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Kultur, das gesellschaftliche Leben und das Miteinander sind gravierend und in den Folgen nicht absehbar. Die Entscheidungen der Verantwortlichen sind geprägt von intensiver Abwägung der verschiedenen Belange.

Der Appell von unserer Seite, diesen Entscheidungen mit Respekt zu begegnen und zu befolgen, auch wenn man möglicherweise in Teilen anderer Meinung ist!

Meine Damen und Herren, in diesen schwierigen Zeiten eine gute Nachricht: Der Kreisumlagesatz bleibt auch 2021 – zum dritten Mal in Folge – unverändert bei 27,5 %-Punkten. Das ist für die Städte und Gemeinden ein wichtiges, ein verlässliches Signal. Für die Kreise rund um Stuttgart ist der Wert konkurrenzlos gut.

Zu den Fakten gehört allerdings, die Kreisumlage in absoluten Zahlen steigt um über 10 Mio. € oder 4,1 %, also weit über der Inflationsrate an. Damit ist klar, dass nur die viel höher gestiegene Steuerkraftsumme der Städte und Gemeinden auf 921 Mio. € für die Beibehaltung des Kreisumlagesatzes verantwortlich ist.

Ich denke alle verstehen, dass in diesen schwierigen Zeiten es keine Überraschung ist, dass wir ein negatives ordentliches Ergebnis mit nun ca. 15 Mio. € ausweisen müssen. Wohl dem, der eine entsprechende Rücklage in Höhe von 176 Mio. € hat; angesammelt seit 2012!

In den vergangenen Jahren fiel der Rechnungsabschluss immer mindestens 20 Mio. € besser als geplant. Wir sind gespannt – aber auch hoffnungsvoll, dass bei den jetzt eingetragenen Zahlen so viel Luft ist, dass das Ergebnis wieder besser als der Plan sein könnte.

Herr Landrat, meine Damen und Herren, mit dem Haushaltsplan 2021 beschließen wir einen absolut gesetzmäßigen Haushalt! Wir profitieren von den Rücklagen und der noch ausreichenden Liquidität. Auch die Kreditaufnahmevoraussetzungen sind erfüllt.

Viele Städte und Gemeinden würden sich bei ihren Haushaltsplanungen ein solches Szenario wünschen. Dort sind Fehlbeträge dieser Art zum Teil noch gravierender – und ohne Rücklagenbestände vorhanden. Die Aufgabenvielfalt, die unglaublich hohen Standards in fast allen Bereichen werden jetzt bei den Städten und Gemeinden zum Problem, vor allem im Bereich der Kinderbetreuung, bei der Unterbringung von Flüchtlingen und zum Beispiel durch zahlreiche Großprojekte bei Schulsanierungen.

Wenn wir nicht wollen, dass ihnen in den Jahren 2021 und danach die „Luft ausgeht“, müssen wir unsere Spielräume im Kreishaushalt nutzen – und dort sind noch einige vorhanden. Vor diesem Hintergrund ist eine Erhöhung des Kreisumlagesatzes in den kommenden Jahren zunächst nicht ersichtlich.

Die Kosten für das Personal steigen nochmals über 4 % an – nach über 8 % im Jahr zuvor. Wir müssen diese Aufwendungen im Auge behalten und setzen deswegen sowohl auf die in Auftrag gegebenen Gutachten, als auch auf die Möglichkeiten, die die Digitalisierung mit sich bringt.

 

Erstaunlich ist die Reduzierung beim „Zuschuss zum Sozialetat“, der von fast 242 Mio. Euro auf 235 Mio. Euro sinkt. Dafür dürfte die Übernahme von 75 % statt 50 % bei den Kosten der Unterkunft nach dem Arbeitslosengeld II verantwortlich sein. Hier müssen wir ein ausdrückliches Lob an den Bund aussprechen, zumal diese Übernahme dauerhaft angelegt ist.

Betrachtet man die Investitionen des Landkreises fällt auf, dass wir alleine bei den Baumaßnahmen – trotz Corona-Finanzkrise – sogar noch mehr tun als 2020. So summieren sich die Beträge auf über 18 Mio. €. Schwerpunkte sind dabei Bildung und Betreuung, was das Großprojekt „Erich-Bracher-Schule“ in Pattonville zeigt. Aber auch in der Carl-Schäfer-Schule und in der Fröbelschule fallen Millionenbeträge an. Das ist natürlich gut investiertes Geld und uns kommt dabei zu Gute, dass wir in den vergangenen Jahren unsere Schulen nicht vernachlässigt, sondern konsequent ausgebaut und modernisiert haben. Gleiches gilt auch für die Kreisstraßen, für die ebenfalls stattliche Beträge vorgesehen sind.

Für die kommenden Jahre stehen weitere Großprojekte auf der Agenda. Neben den Kliniken sind es weitere Projekte in den Schulen und vor allem im Bereich des Öffentlichen Nahverkehrs. Wir werden uns – zumindest in den nächsten Jahren daran gewöhnen müssen – dass wir um die Aufnahme von Schulden nicht umhinkommen. Insoweit dürfen wir Ihnen Herr Landrat widersprechen, nachdem Sie in Ihrer Haushaltsrede die 20 Mio. € Kreditaufnahme in 2021 mit einer gewissen „Einmaligkeit“ versehen haben. Deswegen ist es unseres Erachtens nach falsch oder naiv, 2022 bis 2024 ohne neue Schulden zu planen.

Bei sinkenden Steuerkraftsummen unserer Städte und Gemeinden wird es nicht möglich sein, über die Kreisumlage das Finanzierungspotential einzusammeln. Bund und Land – und viele Kommunen müssen sich in dieser Krise – und auch danach über Jahre hinweg Geld am Kapitalmarkt leihen – in Anbetracht der günstigen Zinsen auch kein Fehler, sofern die Tilgung möglich ist. Diese Lasten sind -zumindest zwischen Kreis und seinen Kommunen gleichmäßig zu verteilen. Sind wir also froh, dass wir in den vergangenen Jahren die Schulden zurückfahren konnten.

 

Eines dieser Großprojekte ist die Stadtbahn Ludwigsburg und Umgebung, zu der wir einen Antrag gemeinsam mit den Grünen gestellt haben. Wir freuen uns, dass der Zweckverband gegründet ist. Die neue Geschäftsführung die Arbeit bald aufnimmt, um die im Antrag gestellten Fragen zu bearbeiten.

Wir wissen, dass in den letzten Monaten die Landes- und Bundespolitik die Rahmenbedingungen für Schienenprojekte nochmal deutlich verbessert haben und eines ist klar, davon wollen wir bei diesem Projekt profitieren. Als Freie Wähler werden wir uns deshalb 2021 auch vertieft mit der Bottwartalbahn beschäftigen, weil Bahnen zudem ein Beitrag zum Klimaschutz sind. Die Bemühungen um den ÖPNV Rettungsschirm auch im Jahr 2021 unterstützen wir nachdrücklich.

Bei den Bemühungen um den Klimaschutz darf man auch in Coronazeiten nicht nachlassen. „Globale Erwärmung steuert auf drei Grad zu“, war gestern in der Zeitung zu lesen. Lt. einem Bericht der Vereinten Nationen reichen die bisherigen Klimaschutzbemühungen nicht aus. Die Freien Wähler setzen hierfür neben der Elektromobilität stark auf „Grünen Wasserstoff“ um die Kohlendioxidemissionen deutlich zu mindern. Im Landkreis, in der Region Stuttgart sind Forschungseinrichtungen und Firmen, wie Bosch, ansässig, die hier Innovationen entwickeln und umsetzen. Diese müssen wir unterstützen, den in diesem Bereich sehen wir in Zukunft neben dem Klimaschutz auch Arbeitsplätze und Wertschöpfung. Dies hat auch der Antrag der Freien Wähler vom Juli diesen Jahres Strukturentwicklung im Landkreis – Wasserstoffstrategie zum Ziel. Die Roland-Berger-Studie vom Februar 2020 zeigt das Baden-Württemberg hohes Potential bei Umwelt-, Klimaschutztechnologien verfügt, dies gilt es im Landkreis zu nutzen, durch Ansiedlungsmöglichkeiten für Firmen, die hier Arbeitsplätze bieten.

Hierfür sind Gewerbeflächen notwendig, wie in Schwieberdingen für die E-Mobilität von Porsche, oder durch die Entwicklung von Mundelsheim-West als Interkommunales Gewerbegebiet für innovative Neuansiedlungen. Erst diese Woche hat die IG Metall auf die Unsicherheit von Arbeitsplätzen im Automobil- und Zuliefererbereich aufmerksam gemacht.

Nur so kann der Landkreis, die Region Stuttgart ihre Spitzenstellung behalten. Es darf uns nicht unberührt lassen, dass der Region Heilbronn-Franken erneut eine höhere Dynamik bestätigt wurde. Sicher, sie liegt wirtschaftlich „noch“ hinter uns. Aber die Worte „noch“ und „höhere Dynamik“ bedeuten, dass sie schneller als uns lieb ist aufholt.

 

Herr Landrat Allgaier, lieber Dietmar, einen Start mit der Coronapandemie hat dir hier im Kreistag sicher niemand gewünscht. Lieber wäre uns gewesen, mit dem Landrat den Neujahrsempfang des Landkreises zu feiern und das Kreiströpfle zu genießen, oder dich beim Pferdemarkt, dem Maientag oder Schäferlauf zu treffen. Aber wir müssen die derzeitige Situation annehmen und hoffen, dass durch einen verfügbaren Impfstoff die Situation sich entspannt und wir dann auch unsere Freunde in Italien, Israel, Ungarn, Sachsen, empfangen und besuchen können.

Vielen Dank an Dich, Frau Beck und Ihr Team und allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für den engagierten Einsatz im vergangen Jahr.

Frohe Weihnachten und ein gutes, vor allem gesundes neues Jahr 2021!

Wir stimmen dem Haushalt zu.