Rede des Fraktionsvorsitzenden Rainer Gessler zum Kreishaushalt 2015

Rede des Fraktionsvorsitzenden Rainer Gessler zum Kreishaushalt 2015

– Redemanuskript, es gilt das gesprochene Wort –

Herr Landrat , meine Damen und Herren,

Die Festlegung der Kreisumlage durch die Landkreisverwaltung auf 31,5 Punkte im Kreishaushalt war – aus Sicht der Freien Wähler – absolut richtig!

Warum? Es geht uns beim Landkreis finanziell nach wie vor gut. Sogar weit besser als den allermeisten Städten und Gemeinden im Landkreis.

Aufgrund der extrem guten Einnahmesituation bei der Grunderwerbsteuer, wurde der Ansatz hierfür endlich um 2 Millionen Euro erhöht.

Der Haushaltserlass des Landes erfreut den Landrat und natürlich auch uns, denn es erwarten uns Mehreinnahmen durch die Schlüsselzuweisungen von 9 Mio. Euro. Bei einer Steigerung von 18 Prozent kommt auch der Landrat ins Schwärmen.

Zudem bleibt die Steuerkraftsumme der Städte und Gemeinden im Wesentlichen auf dem Rekordniveau des Vorjahres. Was wollen wir mehr?

Deshalb sind 31,5 Prozentpunkte  sehr solide, manche sagen schon „extrem solide“! Wichtig ist mir noch, dass Thema „Kritiker“ in Ihrer Haushaltsrede anzusprechen. Klar ist, die sogenannten Kritiker sind keine „Achterbahnfahrer“ bei der Kreisumlage, sondern versuchen nur die extreme Vorsicht und die Neigung der Verwaltung „Liquidität zu bunkern“  bei den Finanzen einigermaßen an die „reale Lebenswirklichkeit“ bei den Städten und Gemeinden anzupassen.

Es bleibt festzustellen: „Die Vorstellungen der Kritiker haben noch nie zu Defiziten geführt!“

Dass es uns so gut geht liegt an der guten Wirtschaftslage im Land, der niedrigen Arbeitslosenquote, den hohe Steuereinnahmen, wenn man über den Landkreis, über die Region, oder über das Ländle hinausschaut, kann man nur froh und dankbar sein. Wir dürfen aber auch die Hände nicht in den Schoß legen!

Wer stehen bleibt, geht automatisch rückwärts.

Was ist dabei wichtig?

Die Freien Wähler begrüßen das Engagement des Verbands Region Stuttgart um Gewerbeflächen im Landkreis Ludwigsburg, nur so sind Steuereinnahmen und Arbeitsplätze möglich!

Die Freien Wähler fordern den Ausbau der Infrastruktur, ob Straße oder Schiene, die B10 sollte endlich vierspurig bis Schwieberdingen ausgebaut und die Ortsumfahrung Enzweihingen gebaut werden. In gleicher Weise ist uns wichtig, dass die Strohgäubahn nach Feuerbach durchgebunden wird. Bei Metropolzügen und Expressbussen und hoffentlich beim Thema Stadtbahn sollen Fortschritte erkennbar werden. Und dass auch das Thema Radwege im Kreis vorangetrieben wird. Es geht nicht nur um Freizeitradwege, sondern gerade auch um Radwege für Pendler zur Arbeit, bspw. Bosch, oder auch Thales in Ditzingen. Wir sehen da einen möglichen und wichtigen Beitrag zur Entlastung der Straßen und der Umwelt.

Ein konkretes Beispiel: Die Firma Bosch hat am Standort Schwieberdingen rund 5.500 eigene Mitarbeiter und es sollen noch einmal deutlich mehr dazukommen. Was ist für diesen wichtigen Arbeitgeber im Landkreis, insbesondere der Raumschaft rund um Schwieberdingen hilfreich?

  1. Die Durchbindung der Strohgäubahn nach Feuerbach – ein anderer Boschstandort. Das würde helfen, den Anteil der Mitarbeiter zu steigern, die mit der Bahn kommen. Häufiges Umsteigen ist für viele ein Nutzungshindernis.
  2. Der vierspurige Ausbau der B 10 bis Schwieberdingen, weil der Großteil der Mitarbeiter über die Straße zum Arbeitsplatz kommt, die ÖV-anbindung des Standorts ist leider ziemlich ungünstig.
  3. Die Ausweisung der Fläche  bis zur Schnellbahntrasse in Schwieberdingen für Gewerbe, um dem Standort für die Zukunft Entwicklungsmöglichkeiten zu geben.
  4. Gute Radwegesituation , um diesen Arbeitsplatz zu erreichen.

Hier ist die öffentliche Hand gefordert, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Arbeitslosenquote niedrig bleibt und Steuereinnahmen fließen.

Wo liegen die aktuellen großen Herausforderungen für den Landkreis?

Der bebilderte Umschlag des Kreishaushaltes und die Schuldenperspektive des Landkreises bringen es auf den Punkt: Kliniken!

In der Vergangenheit wurden die richtigen Weichen gestellt, ob das Zusammengehen  der Klinik in Bietigheim-Bissingen mit den Landkreiskliniken, oder die Zusammenarbeit mit den Landkreisen Karlsruhe und Enzkreis über die Kliniken-Holding. Der Start damals im Landkreis Ludwigsburg war entscheidend, insbesondere wenn man die Probleme in Stadt und Kreis Esslingen bei den Fusionsversuchen gesehen hat. Da war der damalige OB und Kreistagskollege List eine enorm wichtige, mutige und positive Person, dass dieser Start so gelungen ist. Er hatte die Chancen der Zusammenarbeit erkannt, den damaligen Landrat dafür gewonnen und nebenbei war er noch „headhunter“, um den erfolgreichen und ersten Geschäftsführer Beckert zu gewinnen. Und er hat außerdem für Bietigheim-Bissingen eine ungewöhnliche gute Position bei dieser Konstruktion erreicht.

Auch bei den Kliniken, wie für den Wirtschaftsstandort, gilt, wer sich nicht nach vorne bewegt macht rückwärts. Ich zitiere unseren Landrat: „Die Gründung des damaligen Klinikverbundes geschah vor dem Hintergrund eines zunehmend schärfer werdenden Wettbewerbs durch private Klinikbetreiber und durch die zunehmende Unterfinanzierung des Krankenhauswesens.“ Der Satz passt immer noch: Wir stehen heute vor den drängenden Herausforderungen, die Klinikstandorte im regionalen Verbund durch Spezialisierung und Optimierung  zukunftsfähig zu machen. Das ist unsere Aufgabe und große Herausforderung der nächsten Monate, gemeinsam mit der Geschäftsführung und Belegschaft der Kliniken und den Partnern bei der Stadt Bietigheim-Bissingen und den beiden Landkreisen. Auch da noch einmal ein Zitat vom Landrat: „Als öffentlicher Träger haben wir nicht die Gewinnmaximierung im Auge, sondern die flächendeckende Erbringung von medizinischen Leistungen innerhalb des Klinikverbunds.“ Ein schwieriger Spagat zwischen Effizienz und Kostenoptimierung, flächendeckende Versorgung und Standorten. Wir halten Ihre Aussage zum Krankenhausstandort Vaihingen in Ihrer Haushaltsrede für richtig.

Das nächste große Thema derzeit im Landkreis ist die Unterbringung von Asylbewerbern. Die Zahlen sind hochgeschnellt und kein Ende dieser Entwicklung ist absehbar. Einen Abend mit „Tagesschau“ oder „Heute“ genügt und man weiß warum. Die Organisation der Unterbringung der Flüchtlinge ist eine extreme Herausforderung für die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Landratsamt, aber auch bei den Städten und Gemeinden.  Der Personalmehrbedarf im Landratsamt ist nachvollziehbar und wird von uns mitgetragen. Wir danken an dieser Stelle allen, den verantwortlichen Mitarbeitern im Kreishaus und in den Städten und Gemeinden und insbesondere den Ehrenamtlichen, die sich hier engagieren und eine sehr gute Arbeit leisten. Das Thema wird uns noch lange sehr beschäftigen – ein Ende ist nicht abzusehen. Es wird uns, wie von Ihnen Herr Landrat angedeutet, auch später bei den Sozialleistungen, die vom Landkreis zu finanzieren sind noch zusätzlich erhalten bleiben.

Die Unterbringung ist für den Landkreis eine sehr große Herausforderung, aber zeitversetzt wird es bei den Kommunen noch schlimmer, denn diese bekommen die Personen zur Anschlussunterbringung, können sie aber nicht mehr weitergeben, es kommen also immer welche dazu. Der Landkreis hat da im Vergleich eine zeitlich befristete Unterbringungsverpflichtung.

Das Thema Flüchtlinge, Asylbewerber ist für uns derzeit ein großes Problem, aber unvergleichlich größer ist es für die Türkei, Jordanien und den Libanon und zuvorderst für die Kinder, Frauen und Männer, die vorher in ihrer Heimat in Dörfern und Städten gelebt haben und in die Schule oder zur Arbeit gegangen sind.

Man kann es sich derzeit überhaupt nicht vorstellen, trotzdem bleibt nur die Hoffnung, dass sich im Irak und in Syrien auch wieder ein friedliches Miteinander einstellt und den Millionen von Flüchtlingen die Heimat zurückgegeben werden kann.

Eine Herausforderung der nächsten Jahre bleibt der öffentliche Nahverkehr. Es gab in diesem Jahr gute Ergebnisse im Miteinander beim ÖPNV-Kompromiss zwischen den Landkreisen mit der Stadt Stuttgart und der Region und bei der ÖPNV-Finanzierungsstruktur zwischen den Landkreisen und der Stadt Stuttgart. Auf diesem eingeschlagenen Weg des Miteinanders muss weitergegangen werden, denn wir haben die Aufgabe, sinnvoll mit unseren Ressourcen im Miteinander und nicht im Gegeneinander umzugehen. Es stehen vor uns die Herausforderungen die Finanzierung der Busse mit den Städten und Gemeinden zur Akzeptanz aller zu regeln und natürlich die Qualität im ÖPNV möglichst weiter zu verbessern und möglichst wenige Verspätungen im S-Bahnbereich zu haben. Für einen Ballungsraum – für eine Stauregion – enorm wichtig!

Es läuft gut im Kreis:

Die  Berufs- und Förderschulen sind sehr gut aufgestellt, ein gutes Angebot für die jungen Menschen im Kreis. Der Landkreis  hat in der Vergangenheit immer in diese Einrichtungen investiert, um gute Voraussetzungen zu gewährleisten.

Die finanzierten Projekte im Jugendhilfe- und Sozialhilfebereich sind notwendig und gut angelegtes Geld. Wir sind besonders froh, dass es gelungen ist die Umstellung des Rettungsdienstwesens im Landkreis auf digitale Funkmeldeempfänger finanziell zu unterstützen.

Die Schulden im Kernhaushalt schmelzen dahin – von 2008 bis 2014 um rund 55 Mio. Euro – auf aktuell 50 Mio. Euro. Der Landrat ist zu Recht stolz auf den vergleichsweise geringen Zuschussbedarf im Sozialetat 2014 mit 328 Euro je Einwohner – auch das hat natürlich etwas mit unserer wirtschaftlichen Situation zu tun.

Der Landkreis optimiert seine Verwaltungsabläufe weiter durch den Neubau des zweiten Abschnittes des Kreishauses und stärkt die vor Ort- Präsenz durch die neuen Einrichtungen in Besigheim.

Noch ein Hinweis zu Finanzsituation des Landkreises 2015 im Allgemeinen: Der Landkreis erwirtschaftet alle Abschreibungen und plant einen Gewinn von 3,5 Mio. Euro.

Dies entspricht einer Zuführungsrate nach altem Recht von über 15 Mio. Euro!

Es gibt nur wenige Gemeinden, die nach neuem Recht die Abschreibungen erwirtschaften, sie machen also Verluste.

Auch die Kommunen, die noch nach altem Recht arbeiten, schaffen es kaum noch, Zuführungsraten zu erwirtschaften.

Da wird das Systemproblem deutlich. Die Umlage richtet sich ausschließlich nach den zweifellos sehr guten Steuereinnahmen. Die Aufgaben (Kinderbetreuung, Gemeinschaftsschulen, Schulsanierungen etc.), die massive Kostenerhöhungen gebracht haben, werden überhaupt nicht berücksichtigt.

D.h.: gute Einnahmen: Folge: hohe Umlagen: höhere Ausgaben, am Schluss bleibt nichts für Investitionen übrig, alles geht in den Betrieb und Personal!

Anders beim Landkreis, er hat über 20 Mio. zum Investieren aus dem laufenden Haushalt.

Die mittelfristige Finanzplanung wurde auf 33,5 Prozentpunkte angepasst, da müsste aber noch Luft nach unten sein.

Zum Schluss: es bestehen große Herausforderungen im Landkreis, in Deutschland und in der Welt. Die Situation im Landkreis ist von den Reformen der Bundes- und Europapolitik, von dem Geschehen in der Welt betroffen. Ob bei der Verkehrsfinanzierung, der Krankenhausfinanzierung, oder durch den Zustrom der Flüchtlinge. Es bleibt zu hoffen, dass die wirtschaftliche Situation im Kreis, in der Region, im Land so bleibt. Es gab ja in den letzten Monaten wechselhafte Informationen, „die wirtschaftliche Situation trübt sich ein“, „Fachkräfte sind weiterhin Mangelware“, oder „der Arbeitsmarkt ist robust, die Arbeitslosenzahl auf niedrigem Niveau“. Aufgrund der weltweiten Ereignisse fühlt man sich eher unsicher mit Blick auf die Zukunft. Trotzdem sieht es vernünftig aus. Wir im Kreis müssen uns  den aktuellen Aufgaben stellen: Infrastruktur erhalten und ausbauen, sparsam wirtschaften und Schulden abbauen, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

Die Freien Wähler stimmen dem Kreishaushalt 2015 zu.

Vielen Dank!

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