Haushalt 2013

Freie Wähler Kreistagsfraktion 7. Dezember 2012
Rainer Gessler
HH-Rede 2013

 

Sehr geehrter Herr Landrat, meine Damen und Herren,

Herr Landrat sie sprachen bei der Einbringung des Haushalts von einem sensationell guten Haushalt. Ich möchte dies anders ausdrücken, wir sind in einer sensationell guten finanziellen Situation. Mit 196 Mio. Euro haben wir die höchste Kreisumlage in der Geschichte des Kreises. Dies ist der bisherigen hervorragenden wirtschaftlichen Situation geschuldet, die sich aber derzeit leider zu verändern scheint.

Wie im Jahr 2011 wurden auch im Jahr 2012 die Zahlen für den Haushalt immer positiver. Ergebnis: der Haushalt wurde von der Verwaltung mit 33 Prozentpunkten eingebracht, zur Zufriedenheit zumindest der Mehrheit der Kreisräte. Sicher aber von allen Städten und Gemeinden, die alle auf eine möglichst niedrige Kreisumlage hoffen, weil sie sie brauchen.

Wie beeinflussen die Grünen die Kreisumlage?

Antwort: Mit Anträgen, wie diesen: 150.000 Euro für die Verbesserung des Nachtbusnetzes im Landkreis, unter Motto „Und sie wissen nicht wofür?“ Ein Konzept liegt nicht vor! Fakt ist, der Landkreis startet zum kommenden Fahrplanwechsel ein gutes Nachtbusnetz in Ergänzung zu den neuen Nacht-S-Bahnlinien am Wochenende. Die CDU hatte in der Planung die Anbindung möglichst aller Gemeinden ab 2000 Einwohner gefordert. Eine gute Sache, die auch weitestgehend gelungen ist. Der Landkreis gilt, beim Thema finanzielles Engagement im ÖPNV und bei der Organisation der Busverkehre als Musterknabe in der Region und hat für das Nachtbusnetz eine Top-Lösung vorgeschlagen, die Grünen wollen diese Top-Lösung noch Topen.

Das Anliegen der Mehrheit ist eine möglichst niedrige Kreisumlage. Sicher auch von Ihnen Herr Landrat. Auch sie wollen, dass die Kommunen in allen Bereichen ihren Bürgerinnen und Bürgern eine gute Infrastruktur bieten können, insbesondere bei der Bildung und bei der Betreuung – ohne Geld in der Kasse, geht das nicht. Und da sind wir wieder beim Problem der Grünen, einer möglichst niedrigen Kreisumlage. Die ist dringend notwendig aufgrund der Aufgaben der Kommunen!

Was waren die Gründe für die 33 Kreisumlagepunkte:

  • Die Steuerkraft der Kommunen stieg auf 595 Mio. Euro/HH2013. (Für den HH 2012 war die Steuerkraftsumme bei 505 Mio. Euro.)
  • Die höhere Wohngelderstattung des Landes beim Arbeitslosengeld II.
  • Die zeitnahe Erstattung der Leistungen bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit. Da muss der Bund auch mal gelobt werden!
  • Sowie die Abfindungszahlungen des Bundes für die im Zuge der Option übernommenen Bundesbeamten.

Es wird nicht so bleiben, denn manche Unternehmen treten wieder auf die Einstellungs- und Ausgabenbremse, der Euroraum ist in der Krise, insbesondere Südosteuropa. Alle sind gespannt was passiert mit Griechenland. Wie entwickelt sich die Situation in Amerika (Schulden) – wie in Asien (Wirtschaftswachstum)?

Wir – im Landkreis sind Teil des globalisierten Ganzen. Wir leben und finden relativ leicht Arbeit in einem sehr wirtschaftsstarken Raum. Dieser Raum wirbt selbst aus Südosteuropa noch Arbeitskräfte an. Dies geht solange, wie die Firmen ausgelastet sind und auf hohem Niveau Steuern bezahlen. Dadurch sind die Kassen fast aller Gemeinden und somit auch die Kasse des Kreises gut gefüllt.

Sobald allerdings der Wind dreht, die Wirtschaft lahmt, wird es schwierig für uns alle. Erste Anzeichen aus dem Zuliefererbereich ist die bevorstehende Schließung eines Industriestandortes in Markgröningen mit rund 700 Mitarbeitern. Wenn die Gewerbe- und Einkommenssteuer wegen einer Konjunkturschwäche zurückgeht, schlägt dies unmittelbar durch auf die Städte und Gemeinden. Dies vor dem Hintergrund, dass bei den Kommunen wichtige Aufgaben im Bereich Bildung und Betreuung zu schultern sind. Beispiel Möglingen: 1991 waren es 7 Stellen in der Kinderbetreuung in 2014 werden es wohl 70 Stellen sein. Die Personalkosten lagen 1991 bei eine 250.000 Euro und über 20 Jahre später bei fast drei Millionen Euro. Dies neben allen anderen Aufgaben.

Grundsätzlich ist festzustellen: „Die unteren Ebenen scheinen in der Regel solide mit dem Geld umzugehen, da gibt es selbst schuldenfreie, oder fast schuldenfreie Gemeinden.“

Aber was machen die anderen Ebenen: Aktuell die Haushaltsentwicklung im Land – in den nächsten zwei Jahren eine geplante Nettoneuverschuldung von rund 3,3 Milliarden und das bei dieser Konjunktur und den damit verbundenen Steuereinnahmen. Der Bund ist nicht anders, er nimmt etwas weniger zusätzliche Schulden auf, weil er von neuen zusätzlichen Steuereinnahmen positiv überrascht wurde, aber es sind eben zusätzliche Schulden. Diese Finanzpolitik hat negative Auswirkungen auf die Kommunen.

Eins scheint klar: Land und Bund sind keine Partner für Genossenschaftsbanken oder Kreissparkassen.

Meine Damen und Herren, die Menschen, die beispielsweise ihr „Häusle absparen“ können das Thema „Nettoneuverschuldung“ nicht nachvollziehen. Hier besteht eine große Gefahr für weitere Politikverdrossenheit.

 

 

Die Aufgaben des Kreises:

Sozialhaushalt

Der Sozialbereich ist der Ausgabenschwerpunkt im Haushalt. Seit Jahren wird sein Volumen an der Höhe der Kreisumlage gemessen. Bei 182 Mio. Euro liegt er gegenüber dem Vorjahr zwar nur um 0,63 Prozent höher, beträgt aber immer noch fast 93 % der Kreisumlage.

Entlastend wirkt in 2013 insbesondere die schon seit ihrer Einführung vom Bund versprochene und nunmehr nach und nach volle Übernahme der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit mit zunächst 4,1 Mio. Euro in 2013.

Die Option verfolgen wir mit großem Interesse, weil es ja für die betroffenen Menschen und für den Kreishaushalt besser werden sollte. Inwieweit die komplette Übernahme der Leistungsgewährung in der Grundsicherung für Arbeitssuchende durch den Landkreis nachweisbar zu einer besseren und passgenaueren Betreuung und somit zu einer bürgernäheren Bearbeitung und einer nachweisbaren Kostenentlastung führt, ist bis jetzt nur in Ansätzen sichtbar. Wir erwarten in diesem Jahr nähere Aufschlüsse zu diesem Thema.

Der Bereich der Schuldnerberatung im Landkreis wurde letztes Jahr ausgebaut. Das war notwendig wegen der Wartezeiten der Betroffenen, damit sich deren Situation nicht weiter verschlechtert.

Trotzdem sehen wir Handlungsbedarf bei der Schuldnerberatung für frühere Immobilienbesitzer und Gewerbetreibende. Es sind nicht so viele Fälle und bei rechtzeitiger und kompetenter Hilfe sind noch größere Probleme bei den Betroffenen zu vermeiden. Seit einigen Wochen ist nun endlich Bewegung in die Sache gekommen. Wir werden dies weiter beobachten, da ggf. nachgesteuert werden muss.

Unser herzlicher Dank gilt an dieser Stelle den Mitarbeiter/innen der in der LIGA zusammengeschlossenen Institutionen und der sonstigen im Sozialbereich wirkenden Vereinen und Gruppierungen. Ihr Engagement in vielen Bereichen ist nicht mehr weg zu denken und deshalb unterstützen wir deren berechtigte Anliegen, wie beispielsweise Ausbau der Frühen Hilfen, die Arbeit von Job Connection. Freie Wähler und CDU haben in den Jahren 2008 und 2009 mit gemeinsamen Anträgen erhebliche Mittel für notwendige Projekte erfolgreich beantragt.

Sorgen bereiten uns die wachsende Anzahl von Asylbewerbern, von denen derzeit die wenigsten eine Chance auf Anerkennung haben und für deren Unterbringung der Kreis und die Kommunen immer mehr gefordert sind. Neue Unterkünfte müssen kurzfristig geschaffen werden und deshalb ist es nicht nachvollziehbar, dass der Raumanspruch pro Person nach ersten Informationen vom Land fast auf das Doppelte erhöht werden soll.

 

Kliniken

Die wirtschaftliche Situation für die Kliniken im Land (60 Prozent sind in den roten Zahlen) und im Landkreis hat sich weiter verschärft.

Der Bund, die Kassen und das Land sind verantwortlich für die Misere. Das Auseinanderdriften von Kostensteigerungen und Einnahmen führt zu dieser unhaltbaren Situation. Der Kreis ist nun gezwungen seinen Anteil an Zins- und Tilgungszuschüssen von 5,3 auf 9,4 Mio. Euro zu erhöhen. Wir halten dies für richtig, weil eine gute Krankenversorgung von elementarer Bedeutung ist. Herr Landrat, ihre Bemühungen, gemeinsam mit der Geschäftsleitung, die Politik für die massiven Fehlentwicklungen zu sensibilisieren, begrüßen wir sehr. Wir hoffen, dass diese Medizin, die Sie den Politikern verabreichen, Wirkung zeigt!

Berufsschulen

Die Berufsschulen im Landkreis sind auf einem hohen Niveau. Die duale Ausbildung, Weiterbildung zu höheren Schulabschlüssen sind Erfolgsfaktoren für unsere gute wirtschaftliche Situation, die es zu erhalten gilt. Deshalb unterstützt der Kreistag alle Weiterentwicklungsmaßnahmen und natürlich auch die notwendigen Baumaßnahmen.

Straßenbau

Es freut mich, dass der Bau des Enztalradweges bei Unterriexingen nun – nach langer Vorgeschichte mit vielen Problemstellungen – angegangen wird. Die weiteren Straßenbaumaßnahmen sind sinnvoll und notwendig. Der Landkreis ist beim notwendigen Erhalt und soweit erforderlich bei Neu- und Ausbaumaßnahmen gut unterwegs. Dies kann von Bund und Land leider so nicht behauptet werden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Straßen mit dem schlechtesten Zustand die Landesstraßen sind. Hinzu kommt, dass Baumaßnahmen, die außerdem für die Verkehrssicherheit dringend notwendig sind, wie der Kreisverkehr bei Vaihingen/Enz, nicht in Angriff genommen werden. Somit werden leider nicht einmal Unfallschwerpunkte beseitigt, wo in den letzten Jahren leider mehrere Tote zu beklagen waren.

Gleichzeitig wird aber von den Kommunen verlangt, ihre schön gestalteten Kreisverkehre, die keine Unfallschwerpunkte sind, umzubauen!

Im Bundesstraßenbau sieht man schon seit Jahren keinen Fortschritt – man kann schon sagen seit Jahrzehnten – für die Projekte: Ausbau der B 10 bis Schwieberdingen und die B 10 Umfahrung oder Untertunnelung von Enzweihingen. Man hat den Eindruck es wird geplant, geplant und geplant.

Für einen wirtschaftsstarken Landkreis eine unhaltbare Situation. Von solche einem Industriestandort profitiert der Landkreis und in besonderer Weise auch die umliegenden Gemeinden! Es geht dabei auch um Wettbewerbsfähigkeit. Für wichtige Industriestandorte wie Schwieberdingen ist es ein Nachteil, wenn keine gute Verkehrserschließung gegeben ist. Ein Teil der Fachkräfte kommen aus dem Raum Stuttgart und aus dem Raum Karlsruhe. Sie stehen im Stau, von seit Jahren – Jahrzehnten geplanten Straßenbauprojekten.

Es geht aber auch anders – siehe bei der neuen Boschansiedlung in Renningen, dort gab es schon vorher gute Anschlüsse auf Straße und Schiene. Herr Landrat, werte Landtagsabgeordnete gemeinsam mit Ihren Kollegen des Bundestages und der IHK sollte hier dringend ein Aktions- und Interessenbündnis für den Ausbau der B 10 in diese beiden Bereichen geschmiedet werden. Wenn ich in der Presse die Reisen von Landräten und Politikern nach Berlin zum Bundesverkehrsminister in Sachen Straßenbau verfolge, dann kann man nur zu dem Schluss kommen, dass wir uns gemeinsam deutlicher zu Wort melden müssen.

ÖPNV

Ein gut funktionierender und gut ausgebauter öffentlicher Nahverkehr ist sehr wichtig, weil sich der Verkehr im Großraum Stuttgart zu den Hauptverkehrszeiten regelmäßig staut. Die diesbezüglichen Meldungen auf der A 8, A 81 und auf Bundesstraßen sind extrem. Deshalb sind die hohen Summen, die der Landkreis in den ÖPNV investiert, gut angelegtes Geld und der Ausbau und die Optimierung von Buskonzepten notwendig.

Erschreckend sind die Meldungen und Erfahrungen zu Verspätungen bei der S-Bahn. Die S-Bahn ist das Rückgrat des Verkehrs in der Region. Die Häufigkeit der Verspätungen war so bisher nicht aufgetreten. Die Pendler, ob Schüler oder Mitarbeiter von Betrieben sind besonders betroffen, Anschlüsse passen nicht, man kommt zu spät zum Termin oder zum Schulunterricht. Früher war die S-Bahn deutlich verlässlicher! Die Forderung der Grünen, baldmöglichst im AUT darüber zu reden, unterstützen wir.

Der Strohgäubahn wünschen wir, dass der Start zum Fahrplanwechsel 2013 klappt, und dass die Kosten im aktuellen Rahmen bleiben. Entscheidend wird sein, dass die Strohgäubahn zu einer ähnlichen Erfolgsgeschichte wird, wie andere Nebenbahnen in der Region. Dann werden die Kritiker im Kreistag verstummen. Mobilitätsprojekte sind in der Regel immer umstritten, bis die Bürgerinnen und Bürger sie nutzen können. Mit der neuen Strohgäubahn geht sicher auch eine bessere ÖPNV-Erschließung des großen Firmenstandorts in Schwieberdingen einher, trotzdem sind weitere Anstrengungen notwendig, ob bei Bus oder Bahn, um möglichste vielen Mitarbeitern das Pendeln mit dem ÖPNV zu ermöglichen und somit die Straßen zu entlasten.

Die Stadtbahn Pattonville – LB – Markgröningen hat mit der SSB einen wichtigen Partner in der derzeitigen Phase gefunden. Das lässt hoffen, da ein guter Kosten-Nutzen-Faktor in Kombination mit dem SSB-Netz wahrscheinlicher wird. Mit der E-Bus-Idee in der Wilhelmstraße, ergibt sich hoffentlich die Chance für die Stadt Ludwigsburg, sich leichter auf das Projekt einzulassen.

 

Ausblick:

Die mittelfristige Finanzplanung weist für die Kreisumlage in 2014 – 215 Mio. Euro, in 2015 228 Mio. Euro und in 2016 239 Mio. Euro aus – 2013 sind es 196 Mio. Euro.

Herr Landrat, das sind Vorstellungen, die wir so nicht teilen, auch nicht teilen können – 43 Mio. Euro mehr bedeutet eine Steigerung um rund 22 Prozent gegenüber heute.

Wir sind ein Landkreis in einem wirtschaftsstarken Raum mit einer derzeit sehr niedrigen Arbeitslosigkeit, hohem Steueraufkommen und einer guten Infrastruktur.

Gemeinsam, mit der Verwaltung und den Kolleginnen und Kollegen wollen wir das unsere dazu beitragen, dass es so bleibt und Verbesserungen anstreben, wo möglich. Unsere Fraktion bedankt sich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landkreises für Ihren Einsatz hierzu.

Wir stimmen dem Haushalt zu.